Grenzbesetzung 1914–1918 im Hochgebirge
Der Schutz der Schweizer Grenze am Umbrail unmittelbar an der Front zwischen Österreich-Ungarn und Italien gehörte zum Härtesten, was Schweizer Soldaten im Ersten Weltkrieg abverlangt wurde.
Im Umbrailgebiet standen von 1914 bis 1918 sommers und winters vor allem Bündner, St.Galler und Glarner Gebirgseinheiten im Einsatz, in denen auch zahlreiche Werdenberger Soldaten Dienst leisteten. Authentische Aufzeichnungen, Brief- und Bilddokumente lassen den entbehrungsreichen, harten Alltag dieser Männer nachvollziehen, die oft wochenlang in Schnee und Eis, Sturm und Nässe auf über 2500 m ü. M. auszuharren hatten. Die WERDENBERGER GESCHICHTE|N 2 – sie erscheinen am 27. November 2019 – lassen sie ausführlich zu Wort kommen, zum Beispiel den Buchser Walter Küng, den Malanser Georg Fromm oder den Marbacher Alfons Keel.
Der tragische Tod des Bündner Füsiliers Georg Cathomas
Der Dienst war auch für die Schweizer Soldaten gefährlich, wie das Beispiel des Füsiliers Georg Cathomas zeigt. Zitat aus dem Buch: «Im Sommer 1916 war am Umbrail eine intensive Zunahme der Grenzverletzungen zu verzeichnen. Schon am Abend des 30. Juni hatten sich italienische Gewehrkugeln ins Schweizer Lazarett auf der Dreisprachenspitze ‘verirrt’, wobei glücklicherweise niemand verletzt wurde. Tragisch durch den Tod eines Schweizer Füsiliers aber verlief eine Grenzverletzung am 4. Oktober 1916, als jener auf der Terrasse des Hotels Dreisprachenspitze den Schussverletzungen aus italienischen Waffen erlag. Der Rapport des Kommandanten des Glarner Gebirgsfüsilierbataillons 85 hält dazu Folgendes fest: ‘Die Österreicher feiern Kaisers Geburtstag. Festlichkeiten auf der Ferdinandshöhe. Nachmittag eröffnen die Italiener lebhaftes Gewehr- und Maschinengewehrfeuer von Laghetto Alto und Resestellung her. Dabei schlagen bei 3 Sprachenspitze ca. 30 Schüsse auf Schweizerboden ein, beim Hotel und in die Sandsäcke beim Eingang. Leider wird durch einen der ersten Schüsse Füs. Cathomas Georg, [Graubündner] Bat. 91, aus [Domat-]Ems, Student, 1893, tödlich getroffen. Derselbe tut bei [Glarner] Bat. 85 Dienst, um im Winter sein Studium fortsetzen zu können & war ein sehr guter Soldat und Kamerad. Die erste Hilfe leistenden österreichischen Ärzte auf 3 Sp.Sp. [Dreisprachenspitze] glaubten, es sei ein Kopfschuss, weil er aus dem Munde blutete, welche Meldung zu korrigieren ist, indem der Schuss in den Oberarm einschlug & den Brustkorb durchquerte. Der Tod trat sofort ein.’
Diese und andere Grenzverletzungen führten stets zu intensivierten diplomatischen Auseinandersetzungen, mit denen sich die Armeeführung, der Bundesrat, der Schweizer Gesandte in Rom, der italienische Militärattaché in Bern sowie das italienische Aussenministerium zu beschäftigen hatten. Im Fall von Georg Cathomas aber weigerten sich die Italiener, Genugtuung zu leisten und behaupteten, am besagten Tag gar nicht geschossen zu haben. Generalstabschef Sprecher schrieb schliesslich in Januar 1917 an das Politische Departement: ‘Wollen die Italiener trotz aller Urheberschaft der Gebietsverletzungen leugnen und sie auf die Österreicher schieben, so kann man nur – unter Bestätigung unserer Behauptungen und Beschwerde – auf weitere Diskussionen über den Fall verzichten’. Es blieb damit bei den bezogenen Fronten; die Grenzverletzungen jedoch nahmen in unregelmässigen Abständen ihren Fortgang.»